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Tag 3: Der Ernst des Lebens

  • Autorenbild: paulineocist
    paulineocist
  • vor 4 Tagen
  • 2 Min. Lesezeit

Er hat also begonnen - der Ernst des Lebens. Ließ ja nicht lange auf sich warten ;-)


Windlichter durfte ich sauber machen und in Nischen aufstellen und anschließend alte Bücher einsortieren. Was man da für Schätze entdeckt, ist immer wieder verblüffend. Bildbände mit Kupferstichen, die die Landschaften und Kulturen sämtlicher Erdteile vor hundert Jahren darstellen. Ein ebenso altes Experimentalphysikbuch mit Zeichnungen zu den Versuchsaufbauten und vieles mehr. Ich könnte Stunden zubringen diese alten Bücher zu durchstöbern. Aber der geregelte Tagesablauf im Kloster verhindert Gott sei Dank, dass ich mich total in irgendwas verliere, darüber die Zeit vergesse und den ganzen Tag zu nichts anderem komme. Wenn die Glocke schlägt heißt es alles beiseite legen und zum Chorgebet eilen.


Eine Schwester aus einem anderen Kloster, die zu Besuch war und heute wieder abgereist ist, hat sich nach dem Mittagessen auch bei mir verabschiedet und mir dabei ein Kompliment gemacht, das mich wahnsinnig gefreut hat: „Dieses Haus hat gute Schwestern verdient. Und bei Ihnen habe ich das Gefühl, dass Sie wirklich eine sind.“ Das aus ihrem Mund will schon was heißen. Sie ist nicht der Typ Mensch, der das einfach nur so sagen würde.


Eine gute Schwester. Naja, im Werden. Aber vielleicht bin ich ja auf dem richtigen Weg. Noch bin ich weit davon entfernt mich daran gewöhnt zu haben jetzt Schwester zu sein. Am Telefon musste ich heute so lange überlegen, wie ich mich jetzt melden muss, dass sich die Anwesenden schon lustig gemacht haben. Auch wenn mich jemand so anspricht fühlt es sich noch total unecht an. So als würden sie mich nur Spaßes halber so nennen, um dann bald wieder normal mit mir umzugehen. Ich rechne die ganze Zeit damit, dass der Spuk bald vorbei ist und alle plötzlich wieder meinen Taufnamen nutzen. Ich bin echt gespannt, wie lange es dauern wird, bis es richtig in mir angekommen ist, dass ich jetzt einfach wirklich so heiße. Bis der Name ganz normal ist.


Am Nachmittag hatte ich die erste richtige Lateinstunde meines Lebens. Das war toll. Ich hoffe, ich kann mir die Motivation die nächsten zwei Wochen, in denen die Lehrerin (sie ist als Gast im Kloster) im Hause ist, und darüber hinaus erhalten. Wer weiß, vielleicht kann ich dann irgendwann Texte von Bernhard im Original lesen?

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